24 / 08 / 21
LEUCHTSPUR. Der Blog von Stefanie Körber und Stefan Pott

Kiss me, Tiger.

(Voilà, hier kommt das Ende der Geschichte von den Tigern und den Eisbären, und ja, es ist ein Happy End …)

Tiger sind nicht besser als Eisbären und Eisbären sind nicht besser als Tiger. Sie sind nur anders. Grob gesagt sorgen Eisbären für das Gelingen von Gruppen, für Regeln und Anpassung, für Stabilität und Normalität; sie schätzen die Zufriedenheit und ihr Gefühlsleben sucht die Mitte – das Leben mit und neben ihnen ist oft angenehm leicht. Tiger wiederum sorgen für Ausbruch und Veränderung, sie stehen für Eigenheit und Kampf; ihr Gefühlsleben ist vielfach dramatisch und sie kennen sich aus mit Schmerz und Leid – das Leben mit und neben ihnen ist wirklich nicht langweilig, aber selten ist es leicht.

Die beiden sind unterschiedliche „Herzwesen“. Das ist etwas anderes als der Charakter oder die Persönlichkeit und es ist auch nicht die Seele. Es ist vielmehr die emotionale Lebenshaltung, mit der wir durch unser Leben gehen und die wir lebenslang beibehalten. „Tiger“ oder „Eisbär“ sind die Brillen, mit denen wir das Leben emotional anschauen – sie bestimmen, was wir sehen können, sie bestimmen aber auch, wie wir die Dinge sehen. Der Winterschlaf zum Beispiel ist für Eisbären ein Freudenfest, aber für Tiger ähnelt das monatelange Stillhalten eher einem lebendigen Begräbnis. Und genauso sind Familie und Gruppenglück, Pauschalreisen und lustiges Beisammensein, Weihnachtsfeiern und Es-so-machen-wie-alle-es machen für Eisbären der normale modus vivendi, während Tiger all das oft nur mit Mühe bewältigen und ertragen können. Sie bevorzugen das Für-Sich-Sein, das Selbstentscheiden, den Alleinstand.

All das gilt vor allem dort, wo wir auf unsere Herzqualitäten wirklich angewiesen sind – in der Liebe. Wenn es Partnerschaft und Beziehung geht, ist das gemeinsame Herzwesen wohl tatsächlich das große Geheimnis für eine gelingende Beziehung; wir können an unserem Herzwesen nicht vorbeileben, wir können daran definitiv nicht vorbeilieben.

Das Modell von Eisbär und Tiger ist daher ein gutes Familienmodell, ein sehr gutes Kinder-besser-verstehen-Modell, aber es ist vor allem ein wunderbares Partnerschaftsmodell. Wir haben bei der Wahl unserer Partner nicht wirklich eine Wahl – wir brauchen ein gleiches Herzwesen. Tiger brauchen einen Tiger. Und zumindest am Anfang gelingt ihnen das selten. Tatsächlich beginnen die meisten Tiger ihr Liebesleben mit einem Irrtum: Sie heiraten einen Eisbären bzw. eine Eisbärin, weil der Mut zum eigenen Weg noch nicht da ist, dafür jedoch eine übermächtige Sehnsucht nach Familie und Zugehörigkeit.

Tiger müssen dann weitergehen, weitersuchen. Sie werden es müssen, wenn sie Glück und Liebe suchen – mit Eisbären finden sie nur Kompromisse und Befremdung und am Ende doch immer nur Vorwürfe und Unverständnis. Tiger finden daher oft sehr spät die Liebe – dann aber die große.

Dazu noch ein Wort: Sie kommt selten auf Samtpfoten daher, die Tigerliebe – da werden Krallen ausgefahren und es wird gebrüllt, schließlich treffen da zwei sehr eigene Wesen aufeinander; und es wird immer wieder die Trennung angedroht, der Abstand bemüht und die Zurückweisung verwendet, denn vom Alleinsein, vom Alleinsein, davon verstehen Tiger etwas! Tiger müssen daher etwas lernen, das ihnen schwerfällt, das ist der „Mut zum Bleiben“ – er lohnt sich. Denn wenn Tiger lieben, dann lieben sie sehr.

Und das liebt die Liebe …